„Ich will kein Trigger sein“ 🫠 Skinny Privilege, Body Positivity & mein Warum
Warum ich meinen Körper seltener auf Social Media zeige – und was das mit #SkinnyTok und Body Dysmorphia zutun hat.
Ich bin heute mal wieder durch meine Nachbarschaft gelaufen (achtsam schreitend, natürlich), mit überteuertem Flat White in der Hand, Podcast im Ohr und altbekanntes Gedankenkarussell im Kopf. Zuerst hab ich die neue Folge von G-Spot mit Stefanie Giesinger und Schauspielerin Runa Greiner zu Ende gehört. Als ich wieder zuhause war, direkt im Anschluss: Internet Girl mit Valentina Vapaux. Beide Folgen haben ein Thema aufgegriffen, das mich langsam immer nervöser macht – und wozu ich jetzt einfach mal meine (Spazier-)Gedanken loswerden muss: Die Rückkehr des dünnen Körpers als Schönheitsideal.
“Skinny is back” – dieser Satz klingt, als käme er direkt aus einer 2000er Klatsch-Zeitschrift mit Paris Hilton und Low-Rise-Jeans auf dem Cover. Aber nein, ich meine schon das Jahr 2025. Hashtags auf TikTok wie #SkinnyTok feiern Körper, die aussehen, als wären die letzten 20 Jahre niemals passiert. Und wer, wie ich damals, auf Tumblr und auch MySpace unterwegs war, weiß: Das ist nicht neu. Auch da wurde Dünnsein oft romantisiert – begleitet von Bildern mit leeren Tellern, rausstehenden Schlüsselbeinen und sogenannten “Thigh Gaps”, die unter dem damaligen Hashtag #Thinspiration nur zu einer Sache inspirieren: Essstörungen.
Das Traurige daran: Body Positivity war mittlerweile zum Trend geworden, doch mit diesem Wandel drängt sich leise, aber sehr pressend die Frage auf: War das alles überhaupt echt – oder war es nur ein kurzer Hoffnungsschirm für alle, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm existieren? Ich finde, es wird besonders crazy, wenn man bedenkt, wie wechselhaft diese Schönheitsideale eigentlich sind – und wie stark sie vor allem FLINTA betreffen. Mal sollen wir cuuurvy wie Marilyn, dann wieder schlank wie eine Giraffe, dann wieder „fit and thick“ wie die Fitnessmodels sein – während männliche Körperbilder im Mainstream oft viel stabiler bleiben. Das nur mal so am Rande, um dir den Denkanstoß zu geben, wie austauschbar, konsumierbar und im Endeffekt nie genug uns das macht. Wenn’s dich näher interessiert, hat Bloggerin Jazmine Brown das sehr treffend formuliert.
(Nicht) überraschenderweise waren auch alle sonstigen Artikel, die ich zu dem Thema gefunden habe, aus dem letzten Monat. Und wenn die Mainstream-Medien dem schon auf der Spur sind, dann ist es eigentlich meistens schon zu spät, oder? Trotzdem hier kurz meine Findings, besonders der Watson-Artikel bringt auf den Punkt, wie die Bewegung, die einst lautstark Diversity forderte, still und heimlich wieder von der alten Ästhetik abgelöst wurde.
Auch der Artikel auf Elle.de spricht über das Phänomen, dass die Fitness- und Ernährungstipps auf TikTok eigentlich nur ein moderneres Gewand für altbekannte Diätkultur sind:
All den „SkinnyTok“-Videos, ob harmlos oder gefährlich, liegt eine Idee zu Grunde: Dünn sein ist der Schlüssel zu Glück und Erfolg. Schon in den 90ern stellte Kate Moss klar: „Nichts schmeckt so gut, wie sich dünn sein anfühlt.“
Today.com beschreibt außerdem, wie stark #SkinnyTok bereits in den Feeds der Gen Z angekommen ist (ganze 38k posts mit dem Hashtag!) – und was das für traurige Konsequenzen für das Selbstwertgefühl junger Nutzer:innen macht.
Ich habe so viele Gedanken dazu. Auch sehr persönliche.
Denn ja – ich kenne das alles. Die internalisierte Fatphobia. Das ständige Body Checking. Die Jahre, in denen Essen nie nur Essen oder gar Genuss war. Denn, wie du wahrscheinlich weißt, auch ich habe eine Geschichte mit Essstörungen, mit Kalorien-Trackern, mit Tagen, an denen ich dachte: Wenn ich nur ein bisschen dünner wäre, wird alles wieder gut.
Aber, und das möchte ich dabei ganz fett unterstreichen: Ich bin mit einem Körper geboren, der (meist) in dieses enge Schönheitsbild passt. Ich werde auf der Straße nicht gemustert, wenn ich ein Eis esse. Ich finde easy Kleidung in meiner Größe. Ich werde als „gesund“ oder „sportlich“ gelesen, auch wenn mein Inneres vielleicht ganz anders aussieht. Das ist Skinny Privilege. Das muss ich einfach anerkennen – trotz aller Body Dysmorphia, die ich habe.
Warum ich meinen Körper bewusst seltener auf Social Media zeige?
Nicht, weil ich mich über meinen “neuen” Körper schäme. Nicht, weil ich keine Lust auf all die Likes habe. Sondern weil ich finde: Es gibt schon genug Körper wie meinen auf diesen Plattformen. Ich will nicht Teil einer Ästhetik sein, die anderen das Gefühl gibt, sie seien weniger wert, weil sie anders aussehen. Und ich will vor allem nicht zum Trigger für ein Girl werden, die gerade nicht die mentale Stärke hat, sich davon abzugrenzen.
Stattdessen möchte ich mein (kleines) Rampenlicht lieber mit anderen teilen, die leider oft viel zu wenig Platz auf unseren Medien-Bühnen bekommen.
Denn Body Positivity darf kein Trend sein. Diese Form der gesellschaftlichen Selektion schränkt so viele Menschen in ihrem Alltag ein und kostet sie Kraftakte, die sie ungehört ertragen. Dabei ist es auch wichtig, Body Positivity nicht mit Body Neutrality zu verwechseln. Im G-Spot Podcast sagen Stefanie und Runa sinngemäß: Wir können nicht direkt zu „neutral“ springen, wenn wir unseren Körper jahrzehntelang gehasst haben. Erst müssen wir lernen, unseren Körper überhaupt positiv zu sehen – um irgendwann vielleicht an einen Punkt zu kommen, an dem er einfach sein darf. Ohne Wertung. Ohne ständige Analyse.
Diese Arbeit ist tief und persönlich, aber eben auch politisch. Und sie verdient mehr Sichtbarkeit als meinen Bauch im perfekten Contouring-Licht.