Eine mentale Krankheit kommt selten allein 🤝
Oder: Esse ich nicht, weil ich traurig bin – oder bin ich traurig, weil ich nicht esse?
Heute wird’s persönlich.
Also, noch persönlicher als sonst.
Ich hab lange gedacht, meine Essstörung sei einfach so passiert. Eine “Phase”, ein bisschen Kontrollverlust hier, ein paar ungesunde Body-Ideale da – fertig war der Struggle-Cocktail. Aber mittlerweile glaube ich (bzw. weiß): Das Ganze hat viel früher angefangen. Und es war viel mehr als “nur” das Essen.
Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass ich als Teenager schon depressive Episoden hatte – aber sie wurden nie wirklich erkannt. Ich war halt oft traurig. Oder „zu sensibel“. Oder „zu kalt“. Je nachdem, wen du fragst. Ihr kennt das vielleicht. In dieser komischen Phase zwischen Kindsein und “Erwachsensein” (was auch immer das bedeutet) hab ich nie richtig gelernt, wie man mit Gefühlen wirklich umgeht. Und so hab ich’s halt irgendwie weggedrückt. Erst mit Dorfpartys. Dann mit Erfolgsdruck. Dann – mit dem Essen. Oder eben: dem Nicht-Essen-Viel-Sport-Kontroll-Chaos.
Und genau da wird’s spannend. Denn was viele nicht wissen: Essstörungen und Depressionen treten ziemlich häufig gemeinsam auf. In der Psychologie gibt’s dafür (natürlich) ein schlaues Wort: Komorbidität. Also wenn zwei (oder mehr) Diagnosen gleichzeitig auftreten. Und das ist nicht nur so ein statistisches Fun-Fact-Ding. Es hat enorme, spürbare Auswirkungen auf den Alltag, die Therapie und die Heilung.
🔍 Die Fakten: Was sagt die Forschung?
Laut der BZgA zeigen 50 bis 75 Prozent der Menschen mit einer Essstörung auch Symptome einer Depression. Und umgekehrt ist das Risiko, im Laufe eines Lebens eine Essstörung zu entwickeln, bei Menschen mit Depression signifikant höher.
In einer Studie von Momen et al. (2015) wurde sogar gezeigt, dass Depressionen besonders häufig vor der Essstörung auftreten – also wie bei mir: erst die Dunkelheit, dann das Symptom. Bei anderen kann es aber auch andersrum sein: Die ständige körperliche und emotionale Erschöpfung durch z.B. Bulimie oder Anorexie kann auf Dauer zu depressiven Verstimmungen führen.
Heißt konkret:
➡️ Manchmal ist die Essstörung eine Coping-Strategie gegen die Leere.
➡️ Manchmal ist sie der Auslöser für depressive Symptome.
➡️ Manchmal beides. Gleichzeitig. Im Kreis. Komplettes Durcheinander – lieben wir!
🌀 Was das mit mir gemacht hat
Ich hatte lange das Gefühl, ich bin “schuld”, weil ich “nicht richtig funktioniere”. Ich hab ja gegessen. Nur halt eben nicht genug. Ich dachte, wenn ich das wieder „in den Griff bekomme“, wird alles andere auch besser.
Spoiler: Wurde es niiicht. 🙃
Weil die Ursache nicht (nur) beim Essen lag.
Erst in der Therapie und besonders der Klinik habe ich gelernt, meine Emotionen überhaupt zu benennen. Jap, wenn mich jemand gefragt hat, wie’s mir geht, dann hatte ich ernsthaft keine Ahnung und hab immer einfach irgendwas gesagt. Außerdem, dass meine Selbstzerstörung (wenig essen, zu viel Sport, sozialer Rückzug, Überarbeiten, etc.) oft einfach ein Versuch war, das Hamsterrad irgendwie am Laufen zu halten.
🎭 Warum es wichtig ist, beide Seiten zu sehen
Die enge Verbindung zwischen Essstörungen und Depressionen bedeutet auch: Eine Behandlung sollte beides mitdenken. Es bringt nichts, nur auf’s Gewicht zu schauen, wenn im Kopf das große Schwarz dominiert. Und es bringt auch nichts, sich „nur“ um die Stimmung zu kümmern, wenn der Körper jeden Tag komplett am Limit ist.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir offener über diese Verflechtungen reden und sich in der Therapie auch beidem angenommen wird. Nicht alles lässt sich lösen mit: “Du musst einfach mehr essen” oder “Geh doch mal in die Natur”. Heilung ist sooo messy. Komplex. Und vor allem: individuell. Aber genau deswegen geht man ja in Einzeltherapie, oder?
🧡 Falls du dich gerade erkennst…
Bitte sei sanft mit dir. Es ist nicht deine Schuld, dass du die richtigen Tools nie gelernt hast. Du bist nicht “zu schwach” oder “undiszipliniert”. Du hast schlicht versucht, mit dem umzugehen, was in dir passiert ist – so gut du konntest, mit den Mitteln, die du hattest.
Wenn du Hilfe brauchst, findest du (BITTE!) z.B. hier Unterstützung:
Therapeut*innen in deiner Nähe: Psychinfo
Danke, dass du diesen doch etwas trockeneren Artikel bis hierhin gelesen hast. Aber vielleicht erkennst du dich ein bisschen wieder? Oder jemanden, den du liebst?
In jedem Fall: Du bist nicht allein. Wirklich nicht.
xx Caro 💌